Der Blaue Reiter

Die Jahre nach der Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg waren eine Zeit der Um- und Neuorientierung in der Kunst. Eine Zeit, in der viele Künstler nach Wegen suchten, ihrem Schaffen neue Ausdrucksmöglichkeiten zu liefern.

„Der Turm der blauen Pferde“ von Franz Marc (1913). Das Gemälde gilt seit 1945 als verschollen.

Eines der Zentren für Kunst zu jener Zeit in Deutschland war neben Berlin und Dresden auch München. Dorthin verschlug es den jungen Russen Wassily Kandinsky 1896, der ab 1900 Kunst bei Franz von Stuck an der Kunstakademie München studierte. Nach abgeschlossenem Studium hatte auch er Schüler. Seine erste Schülerin war Gabriele Münter, die im Weiteren eine große Rolle in seinem Leben spielen sollte. Gabriele Münter besaß ein Haus in Murnau am Staffelsee, in welchem sie, Kandinsky und zwei weitere junge russische Künstler, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, einen sehr produktiven Maisommer 1908 verbrachten, in welchem viel über progressive Kunst diskutiert wurde. Eine Folge davon war die Gründung der „Neuen Künstlervereinigung München“ (NKVM) 1909.

Die Vereinigung veranstaltete bis 1911 jährliche Ausstellungen in der Münchner Galerie Thannhäuser, welche allerdings sehr negativ von der Presse aufgenommen wurden. 1910 wurde auch Franz Marc Mitglied, mit welchem sich Kandinsky immer stärker zusammenschloss. Innerhalb der Vereinigung kam es jedoch vermehrt zu Konflikten zwischen Kandinsky, dessen Kunst immer abstraktere Züge annahm, und seinen Freunden einerseits und jenen Mitgliedern, die gemäßigtere Ansichten vertraten, andererseits. Als die Jury der NKVM das Werk „Komposition V“ von Kandinsky für eine Ausstellung ablehnte, kam es zum endgültigen Bruch. Kandinsky, Marc und Münter traten aus der Vereinigung aus und gründeten eine neue Bewegung: den Blauen Reiter. Die hauptsächlich deutschen und russischen Mitglieder der Gruppe waren neben den Gründern auch Paul Klee, August Macke, Alfred Kubin, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin und andere.

Kandinsky, für welchen die Musikalität des Farbenspiels und die Rhythmisierung der Formen einen besonderen Stellenwert hatte, Münter, der religiöse Volkskunst mystifiziert darstellte und Marc, der eine metaphysische Tiersymbolik entwickelte, organisierten noch 1911 die erste Ausstellung der Gruppe in der Galerie Thannhäuser in München, bei der die 50 Werke der Organisatoren und Künstlerfreunde gezeigt wurden. Die Ausstellung fand positive Beachtung in der Öffentlichkeit. Es folgte eine Ausstellungstournee bis 1914, bei welcher der Blaue Reiter in Mitteleuropa und bis Skandinavien bekannt wurde.

Die Gruppe des Blauen Reiters war keine Gruppe im eigentlichen Sinne, sondern ein Verbund von Künstlern, die sich gemeinsam für mittelalterliche und primitive Kunst, für französische moderne Kunst (vor allem Fauvismus und Kubismus) interessierten und versuchten, eine Art von Formensprache zu entwickeln, die sich vor allem auf eine „geistige“ Dimension der Kunst konzentrierte. Trotzdem arbeitete jeder Künstler an seiner eigenen Arbeitsweise.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges löste sich die Gruppe auf: Kandinsky und Münter flohen zuerst in die Schweiz, von dort aus zog Kandinsky weiter bis nach Moskau, von Jawlensky ging ebenfalls in die Schweiz, Marc und Macke fielen im Krieg.

Für den Erhalt der Werke des Blauen Reiters spielte Gab­riele Münter eine wichtige Rol­le: Während der Zeit des Na­tionalsozialismus versteckte sie die sich in ihrem Besitz befindenden Bilder der Blauen Reiter und übergab diese 1957 der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München. Dort ist heute die weltweitgrößte Sammlung dieser Vereinigung zu finden.

Astrid Shchekina-Greipel
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Jugendzeitschrift „­WarumDarum“ (3/2013).

 

 

Lesehilfe

verschlagen – заносить; забрасывать

sich zusammenschließen – объединяться; сплачиваться

Züge annehmen – приобретать черты

gemäßigt – умеренный; сдержанный

eine Ansicht vertreten – придерживаться какого-л. взгляда

Beachtung finden – привлекать внимание

sich auflösen – распадаться

die Dimension – измерение

der Erhalt – сохранение

 

 

Aufgaben

1. Richtig oder falsch? Überprüfe die Aussagen anhand des Textes.

a) Wassily Kandinsky kam 1896 nach München.

b) Die erste Schülerin von Kandinsky hieß Marianne von Werefkin.

c) Bei der ersten Ausstellung des Blauen Reiters 1911 wurden insgesamt 50 Werke gezeigt.

d) Der Blaue Reiter löste sich mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf.

e) Die weltweitgrößte Sammlung des Blauen Reiters befindet sich in Dresden.

2. In diesem Buchstabensalat verstecken sich die Namen der Künstler des Blauen Reiters. Findest du sie alle?

Kandinsky, Jawlensky, Werefkin, Marc, Klee, Macke, Kubin, Münter

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