Von Hunden und Menschen

Die Redewendung „Der Hund ist des Menschen bester Freund“ scheint zu stimmen, leben doch zehn Millionen Deutsche mit mindestens einem Hund unter einem Dach. Für beste Freunde will man natürlich alles tun, aber besonders in Großstädten gelten auch Grenzen.

Städtische Hundeauslaufflächen: Zonen der Freiheit. / Lucia Geis

Von Lucia Geis

Der Hundebesitzer hat im Supermarkt die Wahl zwischen Hundefutter jeder Geschmacksrichtung und Preislage. Sehr spezielle Produkte wie vegetarische Reisflocken für 30 Euro pro Kilogramm und Selbstgekochtes kann man im Internet bestellen.

Muss das Herrchen* auf Dienstreise, helfen ihm Hundepensionen mit Garten, Planschbecken* und Fußbodenheizung sowie Hundetagesstätten über jeden kurzfristigen Engpass* hinweg. Das All-inclusive-Angebot mit von Fachpersonal begleitetem Spaziergang kostet etwa 25 Euro pro Tag. Seit Neuestem kann beim Internetportal „Leinentausch“* auch die Unterbringung in Privathaushalten organisiert werden.

Macht ein Tier trotz aller ihm geschenkter Liebe Probleme, gibt es Hundeschulen. Dort stehen Kurse für angehende* Eltern mit Hund sowie zum Thema Aggression auf dem Programm. Auch zum „Hund-Mensch-Berater“ kann man sich ausbilden lassen, was vom Arbeitsamt sogar finanziell unterstützt wird.

Schließlich spielen Hunde im Kulturleben eine Rolle. In Berlin mit seinen rund 100 000 Hunden (und ungezählten illegalen) gibt es für Leser das Buch „Hundeshauptstadt Berlin“, dem Musikliebhaber zeigte die „Neuköllner Oper“ 2009 die Minioper „Stadt der Hunde“, deren Protagonisten ein Pitbull, ein Mops und ein Schäferhund waren, und zurzeit lädt das Berliner Kupferstichkabinett kunstliebende Herrchen gemeinsam mit ihren Tieren ein, sich eine Ausstellung mit Hundemotiven von Dürer bis Polke anzuschauen.

Im Alltag darf der beste Freund nahezu überall dabei sein: Im Restaurant wird ihm frisches Wasser gebracht und in Berliner Bussen und Bahnen regt sich niemand darüber auf, dass kaum ein Hund einen Maulkorb* trägt, obwohl das vom Gesetz so gefordert wird. Während in Supermärkten Tiere generell verboten sind, drücken Verkäufer und Kunden in Bäckereien oft ein Auge zu* und streicheln die kleinen Süßen, wenn sie vor der Ladentheke auftauchen.

Eines der wenigen Streitthemen ist die Leine. Der Berliner Senat stimmte zwar im Juni einem Gesetzentwurf zu, der die Leine auf allen Gehwegen zur Pflicht erklärt, dennoch existierten auch nach seinem Inkrafttreten* zahlreiche Ausnahmen: Weist der Hundehalter nach, dass er drei Jahre lang einen Hund ohne Probleme wie zum Beispiel Beißattacken besessen oder einen sogenannten Hundeführerschein gemacht hat, darf sein Hund frei laufen. Für Verstöße* gegen diese Vorschrift und gegen die Pflicht, den Kot* zu beseitigen, schlägt die Berliner Justiz ein Bußgeld* von 30 Euro vor.

In Parks und einigen Waldgebieten wird es in jedem Fall weiterhin Auslaufflächen ganz ohne Leinenzwang geben. Diese Freiheit herrschte bis Mai 2015 auch am Berliner Schlachtensee. Allerdings war dort die Toleranz der hundelosen Spaziergänger, der Schwimmer und Politiker seit längerem überstrapaziert*, sodass letztere kurzerhand* Hunde am Ufer ganz verboten. Die Begründung: Die Fäkalien verschmutzten das Wasser und Rangeleien* zwischen Artgenossen* störten die Menschen, die sich erholen wollen. Seitdem tobt* eine Protestwelle.

Nicht alle Tierbesitzer setzen sich so vehement* für ihre Lieblinge ein. Deutschlandweit werden jedes Jahr Tausende Hunde ausgesetzt*, viele in der Ferienzeit. Manche werden wenigstens ordnungsgemäß in einem der etwa 750 überfüllten deutschen Tierheime abgegeben. Als Argument dient dann häufig die Belastung durch die Hundesteuer in Höhe von jährlich ungefähr 90 bis 160 Euro. Bequemlichkeit dürfte dagegen das Motiv sein, wenn die Urlaubsreise für Hunde plötzlich auf der Autobahn endet. Dabei gäbe es doch überall Ferienwohnungen und Hotels, die Hunde aufnehmen. Auch in den Restaurants der Urlaubsorte wären sie willkommen und an den Küsten wurden vielerorts Hundestrände eingerichtet. Vielleicht will der vermeintliche Hundefreund aber einfach einmal das Sonnenbad ohne ständiges Bellen genießen.

Sollte das Hundeleben jedoch in Freundschaft enden, kann der Hinterbliebene* seinen Begleiter auf einem Hundefriedhof begraben. Ein Haustierkrematorium in Berlin präsentiert in seinem Online-Urnenversand zum Beispiel von Künstlern gefertigte Einzelstücke zum Preis von bis zu 440 Euro. Mehr kann niemand für den besten Freund tun.

 

 

 

 Lesehilfe
der Dackel: kurzbeiniger Haus- und Jagdhund
das Herrchen: liebevoll für Hundebesitzer
das Planschbecken: flaches Wasserbecken zum Spielen
der Engpass: plötzlich komplizierte Situation
die Leine: Riemen, an dem ein Tier geführt wird
angehend: zukünftig
der Maulkorb: Leder- oder Metallkonstruktion, die das Beißen verhindert
ein Auge zudrücken: etwas akzeptieren, obwohl es nicht gut ist
das Inkrafttreten: das Gültigwerden eines Gesetzes
der Verstoß: Handlung gegen eine Regel
der Kot: Fäkalien
das Bußgeld: Strafe für einen Verstoß
überstrapazieren: zu stark belasten
kurzerhand: ohne lange Diskussion
die Rangelei: kleiner Kampf
der Artgenosse: Exemplar der gleichen biologischen Art
toben: (hier) heftig sein
vehement: heftig, kompromisslos
aussetzen: ein Haustier herrenlos machen
der Hinterbliebene: Person, die zu einem Verstorbenen in enger Beziehung stand

 

 

 

Aufgaben
1. Versuchen Sie aus dem Text zu erschließen, welche der folgenden Bezeichnungen die bürokratischste ist?

a) der Hundefreund; b) das Herrchen; c) der Hundehalter; d) der Hundebesitzer

2. Wie reagieren die Berliner auf die Maulkorbpflicht?

a) Sie beachten sie; b) Vielen ist sie egal; c) Sie protestieren gegen sie.

3. Was ist für Hundebesitzer am wenigsten ein Problem?

a) die Hundesteuer; b) eine kurzfristige Unterkunft; c) das Hundefutter

 

 

 

 

 

 

 

 

 Lösungen

1. c 2. b 3. c

 

 

 

 
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